Eine Buchbesprechung von Autorin Selina Meier

Bin ich wirklich hilflos? Der No Impact Man

Der Autor Colin Beavan machte vor über zehn Jahren einen Selbstversuch, mit dem er heute ziemlich im Trend wäre. Er lebte ein Jahr lang so klimaneutral wie nur möglich. Eine Geschichte, die heute viel aktueller ist als noch vor zehn Jahren.

Barfuss in Manhattan

Beavan schrieb bisher Bücher über Vorkommnisse im 2. Weltkrieg und die Nachhaltigkeit war nicht der Bereich, indem er sich beruflich auskannte. Doch wollte er etwas auf der Welt bewirken und seine Interessen nicht nur dahinsagen. So entwickelte er die Idee ein Jahr lang so klimaneutral wie nur möglich zu leben, darüber zu bloggen und ein Buch zu verfassen. Diese Idee verwirklichte er auch und im Jahr 2010 erschien unter dem Titel „Barfuss in Manhattan“ das Buch dazu.

«Für so ein Vorhaben muss man aufs Land ziehen»

Beavan lebt mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Hund mitten in New York. Als er sich selbst dabei erwischte, wie er seine Frau zurechtwies und ihr einen Vortrag darüber hielt, wie schlecht und unmoralisch es sei Pelz zu kaufen und auch zu tragen, merkte er wie er versuchte ihr Verhalten zu ändern. Ihm wurde bewusst, dass dies nicht der richtige Weg sei die Welt zu verändern. Er musste bei sich selber anfangen und wenn dann sein eigenes Verhalten ändern, und nicht andere zurechtweisen. Als er zu Beginn seines Vorhabens dies auch seinen Freunden erzählte, waren viele skeptisch, dass man solch ein Vorhaben unmöglich in einer Stadt wie New York umsetzen könne: dafür müsse man aufs Land gehen. Doch Beavan hielt sich stur an seinen Plan, dies auch wirklich in New York durchzuziehen.

Dein Müll zeigt dir, wer du bist

Schon am ersten Tag seines Selbstversuches wurde ihm bewusst, dass das Unterfangen, welches er ein Jahr lang vorhatte, nicht einfach werden würde. Mit was sollte er sich nun die Nase putzen? Oder was ist mit den Windeln seiner Tochter? Durch wiederverwendbare Windeln werden weniger im Müll landen, doch braucht es so auch mehr Waschpulver, welches das Wasser verschmutzt und mehr Waschgänge, die auch mehr Wasser verbrauchen. Was auch nicht zwingend gut für den Wasserverbrauch und die Umwelt ist. Geschweige denn von Transportmitteln wie Lift und Auto, wie sollte er das in der Grossstadt New York umgehen? Beavan und seine Frau starteten das Projekt damit sich überhaupt einmal bewusst zu werden, was sie denn alles im Abfall entsorgten. Da kam sehr schnell eine grosse Menge zusammen, schliesslich bestellten sie fast jede Mahlzeit und kochten nicht selber. Auch das Frühstück assen sie auswärts. So fand Beavan in drei grossen Müllsäcken von vier Tagen: «14 Kaffeebecher aus Plastik, 2 aus Pappe, 4 aus Styropor, 12 Plastikstrohalme, 6 Strohalmhüllen, 19 Papierservietten, 14 kleine Papiertüten, 9 Plastikbesteck (unbenutzt), 5 Quittungen, 3 zusammengeknüllte Papiertücher, 14 Plastiktüten, 7 Essensbehälter mit Deckel, 3 aus Plastik, 4 aus Aluminium, 2 Paar Essstäbchen aus Holz, 1 Frittenschale aus Pappe, 3 Kugeln aus zusammengeknüllter Alufolie und 4 Packungen von 2 neuen Schreibtischlampen: Pappkartons und das Innenleben aus Styropor» (nachzulesen im Buch S.44).

«Ich esse. Ich atme. Ich verbrauche Ressourcen, um am Leben zu bleiben. Das ist unvermeidlich».

Beavan teilte sein Projekt in verschiedene Phasen ein. Manche fielen ihm leichter umzusetzen und in manchen Phasen übernahm seine Frau das Ruder. Beispielsweise als es darum ging das Konsumverhalten zu reduzieren und sie verschiedene Regeln aufstellten wie nur noch Second Hand und gebrauchte Artikel zu kaufen, hinterfragte seine Frau das Ganze, wieso sie denn überhaupt noch etwas kaufen soll, wenn sie momentan alles hat, was sie braucht.

«Wenn Liebe so wichtig ist, warum lassen wir die Zwischenstufe – die Produkte – nicht einfach weg und schauen, was passiert?»

Mit Humor und kurzen Episoden aus dem Versuchsjahr beschreibt Beavan allgemein sein verändertes Leben und hinterfragt verschiedene Gewohnheiten, beispielsweise wann er sich dazu verleiten liess überhaupt so bequem zu werden. Er sieht sich als „undankbar“. Beispielsweise hätten seine Grosseltern nie so viel Abfall produziert. Weiter machte er sich auch Gedanken um Werbekampagnen, die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren «Du bist eine Niete, aber wenn du dieses Produkt kaufst, bist du toll, und alle lieben dich». Grundsätzlich hinterfragt er das Leben: Für was wir denn eigentlich hier sind? Sicher nicht, um den Planeten, unserer Heimat, solchen Schaden hinzuzufügen.

In einem Abschnitt, in dem er beschreibt, wie er sich am 11. September 2001 fühlte und das Bedürfnis hatte auf die Strasse zu gehen und unter Menschen zu gehen, wurde ihm klar, um was es im Leben eigentlich geht: «dem ebenso ratlosen Menschen neben einem die Hand reichen und zu versuchen, das Ganze gemeinsam durchzustehen.» Weiter waren es freiwillige Helfer bei Organisationen, die ihm bewiesen, «dass es beim Umweltschutz nicht in erster Linie darum geht, weniger zu verbrauchen, sondern darum, mehr füreinander dazu sein. Beim Umweltschutz geht es nicht in erster Linie um die Umwelt. Es geht vor allem um die Menschen, um die Vision eines bessern Lebens – für die Menschen.» Und so verändert sich aufgrund dieses Jahres sein Leben komplett.

Das Buch und Beavans Projekt startet damit so klimaneutral wie nur möglich zu leben. Aber mit solch einer Veränderung im Leben beginnt man auch Gewohnheiten zu hinterfragen. So trifft Beavan mit manchen Gedanken, Anekdoten und Zitaten von verschiedenen Menschen den richtigen Punkt, um das Verhalten, dass man als Normal ansieht einmal zu hinterfragen. Das Buch ist auf jeden Fall für jeden Menschen zu empfehlen, sei es für Personen, die gerade anfangen nachhaltiger zu leben oder solche, die schon richtige «Profis» sind. Es regt einem zum Nachdenken an. Wie kann man der Welt helfen, was kann jeder Einzelne tun, wobei Beavan hilfreiche Tipps gibt, die einen klar werden lassen, dass jeder und jede Einzelne etwas tun kann. So endet das Buch mit dem Satz «Also, was werden Sie tun?», was eine ziemlich berechtigte Frage ist. Darum empfehle ich das Buch sehr, machen Sie sich Gedanken, was Sie verändern können, um der Welt zu helfen.

Colin Beavan: Barfuss in Manhattan. Aufbau Verlag: Berlin, 2010. ISBN 978-3-378-01107-6.

Beavan führte während seines Selbstversuches auch einen Blog: https://colinbeavan.com/search-no-impact/#js. Zudem wurde das ganze während des Versuches filmisch dokumentiert, hier der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Z9Ctt7FGFBo.