FC Internationale Berlin mit dem engagierten Frauenfussballverein – Interview mit Gerd Thomas, dem 1. Vorsitzenden des FC Internationale Berlin. Gerd Thomas wünschte sich mehr Herzblut für den Sport von der Politik.

Der FC Internationale wurde im Jahr 1980 von gut 20 Fussballern in Schöneberg gegründet. Ziel war es, mit engagierten Menschen Fussball auf gutem Niveau zu spielen, ohne die Spieler dafür zu bezahlen, so wie es landläufig üblich war. Die Gründungsidee hat bis heute Bestand, kein Spieler beim FC Internationale bekommt Geld.

Der FC Internationale war der erste Landesligist, der von einer Frau trainiert wurde. Lesen Sie hier den Artikel

Frauenfussball seit 1981

Der FC Internationale unterhält mittlerweile die meisten Teams im Bezirk und deckt die gesamte Palette des Fussballsports ab. Es gibt Mädchen, Jungen, Frauen, Männer, Senioren und Altligisten bis in den Ü60-Bereich hinein. Der Verein war immer politisch engagiert. Nachdem man sich in den Gründungsjahren gegen Arbeitsplatzabbau und für den Frieden einsetzte, steht heute der Kampf gegen den immer noch allgegenwärtigen Rassismus im Vordergrund.

Im Verein finden sich Menschen mit Wurzeln aus über 70 Nationen. Der Name des Vereins ist damit zum Programm geworden, auch wenn es natürlich keine Quoten gibt.

Ziel ist es, perspektivisch alle Altersklassen in den höchsten Berliner Spielklassen antreten zu lassen. Viele Teams haben dieses Ziel bereits erreicht. Gleichwohl ist den Verantwortlichen klar, dass Auf- und Abstiege zum Sport dazu gehören. Der moderne Fussball strebt nach charakterstarken Akteuren, die als echte und faire Teamplayer agieren. Trainerinnen und Trainer arbeiten erfolgreich daran.

Interview Gerd Thomas

Gerd Thomas, Sie sind Vorsitzender des FC Inter Berlin. Was bedeutet es für Sie, einen so grossen Verein zu präsidieren?

Es ist ein tolles Gefühl, so einem Verein vorstehen zu dürfen. Allerdings präsidieren wir nicht. Ich verstehe mich als Vorsitzender des Vorstands, nicht als Präsident. Einer alleine kann nichts ausrichten. Wir sind eine Gemeinschaft, nur so können wir uns weiterentwickeln.

Das Vereinsleben ist in der heutigen Zeit wichtig und bietet Ausgleich zu Schule und Job. Es bedeutet auch soziale Geselligkeit. Wie kamen Sie mit der ganzen Coronapandemie und dem verordneten Lockdown als INTERNATIONALER VEREIN ohne Spiele zurecht?

Der Verein ist ganz gut durch die Pandemie gekommen, wir hatten nur wenige Austritte. Aber das ist nur ein schwacher Trost für die entgangenen Stunden in der Vereinsgemeinschaft. Uns allen fehlen Spiele und Training, aber noch mehr fehlt uns der Kontakt zu Freundinnen und Freunden im Verein. Ich finde es eine echte Schande, wie die Politik mit dem Amateursport umgegangen ist. Die Folgen werden wir in den nächsten Jahren massiv zu spüren bekommen. Während Spargelernte und Schlachthöfe weiterlaufen, Menschen dort auf engstem Raum zusammenhocken, dürfen wir trotz vieler Gutachten seriöser Wissenschaftler*innen nicht spielen oder trainieren. Aber es sind bald Wahlen, und die Wählerinnen und Wähler sollten auch das an vielen Stellen willkürliche Sportverbot mit in ihre Entscheidung einfließen lassen. Ich bin alles andere als ein Verharmloser, aber Breitensport hat in Deutschland einfach keine Lobby. Das muss sich schleunigst ändern.

Wie kamen Sie selber zum Fussball?

Ich komme vom Dorf in Nordniedersachsen. Als kleines Kind begann ich mit Turnen, nachmittags spielten wir mit der Dorfjugend Fußball. Mit 9 ging ich in den Fussballverein – das war nun mal so – und bin dabei geblieben. Bis heute spiele ich, wenn auch jetzt in Berlin.

Die Männer feierten bereits im letzten Jahr das 40 Jahr Jubiläum. In diesem Jahr feiert der Frauenfussball. Was bedeutet Ihnen der Frauenfussball?

Leider konnten weder Männer noch Frauen feiern, denn es gab ja dieses fiese Virus. Wir werden es gemeinsam nachholen. Der Frauenfußball ist bei uns nicht unwichtiger als der Männerfußball. Wir sind in allen Altersklassen von den E-Mädchen an vertreten und sind darüber total froh. Einige hochbegabte Mädchen spielen in Jungenteams mit, Frauen- und Mädchenfußball ist beim FC Internationale total akzeptiert. Das ist gar keine Diskussion. Wir schätzen uns, wir feuern uns gegenseitig an, wir sind froh, ein so vielfältiger Verein zu sein.

Sind die Frauen akzeptiert auf dem Feld? Gibt es herausragende Spielerinnen?

Natürlich sind sie akzeptiert, was denn sonst? Unsere Frauen spielen in der höchsten Berliner Liga, so wie die Mädchenteams auch. Eine B-Jugendliche trainiert sogar im Kreis der Nationalspielerinnen. Wir drücken natürlich die Daumen, dass sie es zu einem oder mehreren Länderspielen bringt. Das ist schwer, aber sie ist ehrgeizig und fokussiert. Warum also sollte es nicht klappen? Im Tor der Frauen steht eine irische Nationalspielerin. Aber ich finde, alle Spielerinnen sind herausragend, wir sollten das nicht nur von der sportlichen Seite aus sehen.

Erzählen Sie uns bitte eine kleine Anekdote.

Einige Gründerinnen der Mädchenabteilung und Berliner Meisterinnen der D-Juniorinnen spielen heute immer noch. Eine von ihnen ist sogar Jugendleiterin. Natürlich gab es auch Erfolge (Berliner Futsal- und Hallenfussball-Meisterschaft), viele Aufstiege, grosse Turniere (z. B. den NO-RACISM-CUP), Auswahlspielerinnen. Aber vor allem sind wir stolz darauf, dass so viele Spielerinnen aus der Jugend auch im Erwachsenenbereich beim FC Internationale bleiben. Das ist sportliche Nachhaltigkeit vom Allerbesten und mehr wert als jeder Titel. Eine Besonderheit gab es 1997. Mit Mirjana Kovacev trainierte eine sehr gute Trainerin erstmals ein Herrenteam der Landesliga, was für viel Gesprächsstoff sorgte. Es wäre schön, wenn wir heute darüber lachen könnten. Leider hat sich diesbezüglich kaum etwas getan.

Gratulation zu Ihrer Auszeichnung für Nachhaltigkeit. Was bedeuten Ihnen Werte in einem Verein?

Wir stehen für Vielfalt, Toleranz, Solidarität und gegenseitigen Respekt. Das sind nicht nur Floskeln, das leben wir seit vielen Jahren ganz bewusst. Wir setzen uns schon sehr lange gegen Diskriminierung ein, wir unterstützen ärmere Spielerinnen und Spieler bei der Finanzierung von Fahrten sowie Trainingslager und vieles mehr. Viele Menschen in unserem Verein sind politisch aktiv, ob alt oder jung. Das war schon immer so, das soll auch so bleiben. Sport ist nicht unpolitisch, wie es uns einige Funktionäre oder Politiker einreden wollen. Für uns war es folgerichtig, uns mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Wir hatten plötzlich die Gelegenheit zu einem Pilotprojekt mit dem Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) und dem TÜV Rheinland. Diese Chance haben wir beherzt ergriffen, total viel am Thema gearbeitet und zum Lohn als erster deutscher Amateurverein das Nachhaltigkeitszertifikat erhalten. Darauf sind alle im Verein zurecht stolz. Wir wollen uns darauf aber nicht ausruhen, sondern uns von Jahr zu Jahr verbessern: ökologisch, sozial und im Sinne einer nachhaltigen Ökonomie. Und wir wollen andere Vereine ermutigen, es uns gleichzutun. Nachhaltigkeit ist auch im Sport ein Riesenthema, ob nun bei Fairtrade, Ernährung oder sozialem Engagement. Hier geht es zum Artikel

Auf diesem Foto unten rechts ist Mirjana Kovacec mit ihren Landesliga-Männern 1997.

Welche Wünsche sind offen?

Viele, aber einen ganz besonders grossen Wunsch haben wir auf jeden Fall. Wir wünschen uns, dass die Berliner Politik, im Besonderen die in unserem Bezirk Tempelhof-Schöneberg, endlich versteht, welch grosser Gewinn Sportvereine sind und dem Sport endlich den Stellenwert einräumt, den er verdient. Und wir wünschen uns, dass Unternehmen mehr Lust bekommen, sich der Förderung des Breitensports zu widmen. Berlin rühmt sich, Sportmetropole zu sein. Davon sehen die meisten Amateursportler:innen aber nichts. Wir haben veraltete, oftmals verrottete und vor allem viel zu wenige  Sportanlagen. Mädchen und Frauen müssen vielfach immer noch über den Flur an Spielern oder Zuschauern vorbei zum Duschen. Es wird vielfach über die Köpfe der Vereine hinweg entschieden, leider meistens fehlerhaft. Es gibt kaum Politiker:innen, die wirklich Herzblut für den Sport haben. Wir haben beim FC Internationale so viele Ideen, gerade für die Unterstützung junger Menschen mit Hilfe des Sports, auch zur Stabilisierung unseres Wertesystems. Aber wir haben den Eindruck, permanent in einer Gummiwand aus Ignoranz und Überforderung steckenzubleiben. Ich hoffe inständig, dass die Berlinerinnen und Berliner den Sport bei den nächsten Wahlen als Entscheidungskriterium einbeziehen. Ich werde das auf jeden Fall tun. Und dann habe ich noch einen persönlichen Wunsch: Ich hoffe, dass sich noch viel mehr Frauen in den Sportverbänden engagieren, nicht zuletzt auch im Fussball. Ihr Sport hat das verdient.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch. Wir wünschen viel Erfolg und schicken INTERNATIONALE Grüsse.